Nerds im politischen Blindflug


„Ihr habt versagt“
Sascha Lobo, res:publica 2014

Nun sitzt Ihr da wieder in Berlin, Ihr Nerds, Hipster, Blogger und Netzaktivisten, auf der nächsten Konferenz, um …

… ja, um eigentlich WAS zu tun? Keiner weiß es mehr. Erste Aufgabe eines Netzaktivisten ist das herumjammern – wahlweise auf NSA, Konzerne oder DAUs.  Anschließend werden Petitionen verfasst, Manifeste veröffentlicht oder abgehalfterten Fernsehstars eine Werbefläche geboten. Da hat die Eltern-Versammlung eines selbstverwalteten Kindergarten mehr politische Relevanz.

Wie Stimmvieh lasst Ihr Euch an die LAN-Tränke führen, wie Zirkusgäule präsentiert Ihr Euch in den Kongresszentren der Republik – zur Bespaßung eines Publikums, dass sich langsam gelangweilt abwendet. Noch zur 30C3 wurde Euch ein ‚Schockzustand‚ attestiert. Heute ist festzustellen: Das ist kein Zustand, das ist die gesellschaftspolitische Grundhaltung der Netzaktivisten.

Das schlimme daran ist – Ihr betreibt nicht nur reine Politiksimulation, Ihr seid auch unfähig, eure ’native‘ Lebensumwelt – das Internet – für politisch relevante Aktionen überhaupt zu nutzen. Ihr schafft es nicht, eine Demo vor dem Kanzleramt zu organisieren oder eine Mahnwache vor der US-Botschaft. Es gibt keine Farbbeutelwürfe gegen Angela Merkel oder Thomas de Maizière (das ist der für Überwachung und Spionageabwehr zuständige Minister) und keine Sitzblockaden vor amerikanischen oder britischen Geheimdienstzentren. Ihr produziert Papiere, die beim Einreichen bei den Behörden direkt nach /dev/null gepipet weerden. Ihr seid IRRELEVANT!

Vielleicht muss man Euch zu Gute halten, dass Ihr Kinder der Kohl-Ära seid und somit in einer apolitischen Umgebung eine politische Sprachbefähigung nie erwerben konntet. Die geistig-moralische Wende ist in Euren Gehirnen umgesetzt worden und entfaltet nun die Sprengkraft, die der Kanzler der Vereinigung nie erahnt hat: politisches Engagement ist nur für gutmenschende Naivlinge, aber nicht für uns durchblickende Obercheker, uns Leistungsträger der Digitalelite, die ja die Strände zwischen Malibu und Malediven wie den Sandkasten um die Ecke kennen.

Ihr seid das Volk, dass Angela Merkel braucht, um ihr Konzept des unpolitischen Regierens umzusetzen. Ihr bildet den toxischen Film, welcher die Pflanze Demokratie zu braunem Giftmüll verdorren lässt. Ihr seid die freiheitskämpfenden Duracell-Häschen, die wild auf der Stelle hüpfen, bis sie umfallen. Ihr seid so cool abgeklärt, dass Ihr unfähig seid, Eure politische Position zu erklären.

Ihr produziert Statements – als Digitalmüll. Ihr entwickelt Code – den niemand braucht, der wirklich frei sein will. Ihr vernetzt Euch – und schaut Euch Katzenviedeos an. Ihr lebt in einer von Geheimdiensten eigehegten Parallelkultur – und lasst Euch Bananen durch die Gitterstäbe zu stecken. Eure Oma kennt den Unterschied zwischen Windkraft und Atomkraft, aber Ihr könnt nicht mal den Unterschied zwischen DE-Mail und normaler EMail vermitteln.

Der Aufruf nach Snowden, dass Ihr Euch aus den Serverräumen hinaus auf die Straße begeben müsst, der musste folgenlos verhallen. Denn dort draußen, auf den Plätzen der Republik, da kann es regnen und schneien, da bläst einem Sturm ins Gesicht und es fliegen mehr als böse Worte herum. Und dort draußen muss man eines zeigen, dass Ihr im Internet nicht kaufen könnt: HALTUNG!

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2 Antworten zu Nerds im politischen Blindflug

  1. F. Scholz schreibt:

    Genial, präzise, glasklar! Einfach gut!

  2. genius1 schreibt:

    Und? Seit ihr besser?

    Könnt Ihr wirtschaftliche Probleme beschreiben und daraus Lösungen ableiten?

    Ich warte auch auf Unterstützung und bekomme keine!

    Worum es geht? Die Lebensbedingen aller Menschen zu verbessern. Im folgenden Link, Kommentar vom 1. April von genius1 lesen.

    http://blog.postwachstum.de/die-vollgeldreform-ein-wichtiger-schritt-in-die-postwachstumsokonomie-20130317

    Im Kommentar finden Sie einige neue Gedanken über wirtschaftliche Zusammenhänge. Und was nicht Verstanden wird sollte man mit mir Diskutieren. Und dann ran an die Politker, zur abgabe einer Stellungsmaßnahme, die dann im Internet veröffentlicht wird. Anschließend damit bei Bekannten und im Freundeskreis hausieren gehen, und wenn diese sich bei den Politikern auch noch Melden und dort Ihren möglichen Unmut Kundtun, dann möchte ich mal sehen, welche Politiker diesem Druck standhalten! Dann wird sich auch langsam das jetzige Wahlverhalten ändern.

    Man muss nicht auf der Strasse Demonstrieren, das geht auch im Internet.

    Das Schlimme ist das euer Kommentar auch noch Inhaltlich richtig ist, gleichzeitig keine Verbesserungen für die Menschen bringt. Haltung zeigen, das tue ich, aber ohne weitere Unterstüzung bin bin ich auch nur ein Nerd!

    meine E-Mail – r.peda@gmx.de

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