Eine grüne Geschichte von Macht und Mitte


Die Grünen steigen mit ihrer Basis-Kür der SpitzenkandidatInnen (ein Mann, eine Frau) in den Wahlkampf für die Bundestagswahl 2017. Wie lässt sich nun Wahlkampf führen in Zeiten, in denen eigentlich die Demokratie gegen deren innere und äußere Feinde verteidigt werden müsste? Vor der Bundesversammlung in Münster stehen die Grünen damit vor einer Grundsatzentscheidung, die die Existenz der Partei bedrohen könnte.

In den USA scheint ja der Kelch an der ältesten Demokratie der Welt nochmals vorbei zu gehen. Dank der sprachlichen Ausfälle von Donald Trump ist das Rennen so gut wie gelaufen. Bemerkenswert sind dabei zwei Dinge:

In Deutschland hat sich das Phänomen ‚Vulgär-Faschismus‘ in der Gestalt der AfD verfestigt, einer Partei, die eben vorwiegend von alten, weißen Männern gewählt wird. Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl 2017 stellt sich somit die drängende Frage, wie die übrigen Parteien reagieren sollten, damit der zur politischen Organisation geronnene Hass nicht an der 20-Prozent-Hürde bundesweit kratzt.

Die Auseinandersetzung mit der AfD wird insbesondere dadurch erschwert, dass dem politischen Diskurs über die sozialen Medien eine solide Faktenbasis entzogen wurde. Es wird nicht mehr auf Grundlage von verifizierbaren Informationen debattiert. Stattdessen benötigt die postfaktische Propaganda-Maschine in den sozialen Netzen nur noch den nächsten Tabubruch, um Wahlerinnen und Wähler zu mobilisieren.

Angesichts einer solchen Ausgangslage würden wir als Autorenkollektiv Klaus Wallenstein von den Parteien aus dem demokratischen Spektrum einen engagierten Themen-Wahlkampf auf Basis eines gehärteten Wertefundaments erwarten. Doch weit gefehlt. Von den peinlichen Steuererleichterungs-Geschenken der CDU/CSU bis zu den irregeleiteten Diskussionen um das Amt des Bundespräsidenten ist mehr Pfusch als solides Handwerk zu erkennen.

Die Fahrlässigkeit, mit der aktuell die Parteien das empfindliche Porzellan der Glaubwürdigkeit zerschlagen, ist auch bei den Grünen im Übermaß vorhanden:

  • Die Friedens- und Umweltpartei hat den Daimler-Chef, Waffenhändler und Diesel-Fan Dieter Zetsche zum Bundesparteitag nach Münster eingeladen. Der Boss des Industriekonzerns darf dort auf Einladung des Realo-Flügels eine Rede über Zukunftskonzepte halten. Eine Einladung der Bundestagsfraktion zu einem Fachgespräch u.a. mit dem Verkehrsexperten Anton Hofreiter hatte Daimler noch vor wenigen Monaten ausgeschlagen.
  • Der Grüne Ministerpräsident des Auto-Landes Baden-Württemberg wehrt sich gegen ein Verbot für Verbrennungsmotoren. Damit stellt sich der schwäbelnde Landesvater gegen die Klima- und Energieexperten der Bundestagsfraktion.
  • Die Grünen können sich nicht auf ein Steuerkonzept einigen, welches Investitionen in Bildung und Infrastruktur sowie eine Verbesserung der finanziellen Ausstattung von Menschen am unteren Ende der Einkommensskala sicher stellen würde. Auch hier wird die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und Zukunftsinvestitionen von den Kretschmann-Grünen aus Deutsch-Südwest torpediert.

Mit dieser Aufzählung wird deutlich: Die Grünen wollen von Stuttgart aus in der bürgerlichen Mitte demnächst Wahlerfolge einfahren. Dumm nur, dass die bürgerliche Mitte in der Geschichte Deutschland traditionell jede Veränderung der Verhältnisse massiv bekämpft hat. Nicht einmal für eine eigene, funktionierende Demokratie hat der Wille der Gesellschaft gereicht. Dazu musste erst ein 1000jähriges Reich zusammenbrechen und die Besatzungsmächte neue Strukturen von Grund auf implementieren.

Wie die Grünen im Einklang mit dem Deutschen Bürgertum bei den Herausforderungen Klimawandel, Globalisierung und sozialer Gerechtigkeit die notwendigen Veränderungen bewirken wollen, ist schlicht nicht zu erkennen. Was aber die Situation ins absurde steigert, ist der Erfolg der Grünen Ideen in den letzten Jahrzehnten. Dazu schrieb Giovanni di Lorenzo unter dem Stichwort ‚kulturelle Hegemonie‘:

Wenn Tierschutz und Atomausstieg heute weitgehend Konsens sind, wenn Migranten nicht mehr „Kümmeltürken“ oder „Spaghettifresser“ gerufen werden und keiner mehr über Schwulenwitze lacht, wenn Menschenrechte und nicht nur Interessen in der Politik eine Rolle spielen, ja wenn selbst Aldi und Lidl eigene Bio-Marken führen, dann ist das alles auch ein Verdienst der Grünen.

Zentrale politische Ideen wurde in Gesetze und Verordnungen gegossen, ohne dass die Grünen eine Mehrheit hatten. Stattdessen wurde mit der Macht des Arguments der gesellschaftliche Mainstream derart beeinflusst, dass ein offenes, friedliches Deutschland möglich wurde.

Nun tritt mit der AfD aber ein Gegner auf den politischen Kampfplatz, der in der bürgerlichen Mitte wildert, um diese Fortschritte wieder zurück zu drehen. Die Reaktion der Grünen darauf: Abschmelzen des eigenen Wertekanons.

Bereits vor Beginn des Grünen Wahlkampfs wird aus der Parteizentrale in Stuttgart die weiße Fahne geschwenkt und ein glatt gebügeltes Bürgerprogramm aufgelegt mit dem Ziel, die Anschlussfähigkeit an die CDU herzustellen. Damit wird der Gesellschaft aber ein wesentlicher Motor des Fortschritts – die Reibung an der Öko-Partei – entzogen. Die Preisgabe der eigenen Grundlagen lässt die Grünen als weitere, beliebige Mainstream-Partei erscheinen, in der Machterhalt wichtiger ist als Werterhalt. Dieses Vorgehen schwächt das gesellschaftliche Immunsystem beim Kampf gegen die Verführung von Rechts außen.

Der Wille zur Macht sollte in einer Grünen Partei immer der Idee der offenen, nachhaltigen und demokratischen Gesellschaft untergeordnet sein. Angesichts des beschleunigten Vertrauensverlustes in das politische System ‚Demokratie‘ ist diese Haltung alternativlos.

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Eine Antwort zu Eine grüne Geschichte von Macht und Mitte

  1. christa silber schreibt:

    Billige Polemik ohne Substanz. Welche „Preisgabe der eigenen Grundlagen meinen Sie denn“?

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